What the f*** is…?

Bei vielen Menschen kommen einige Fragen auf, wenn sie an den TDDZ 2018 in Goslar denken. Um ein wenig Licht in das Dunkel zu bringen, geben wir euch in der Rubrik “What the f*** is …?” Input zu euren Fragen.

…Goslar?

Goslar ist eine 50.000 Einwohner große Stadt im Süden Niedersachsens am Rande des Harzes. Die nächstgrößeren Städte in der Region sind Göttingen im Süden, sowie Braunschweig und Hannover im Norden.

Politisch gesehen entspricht Goslar dem bundesdeutschen Durchschnitt. Auch hier konnte die “Alternative für Deutschland” bei den vergangenen Wahlen zum Teil zweistellige Ergebnisse erzielen und wurde mit 9.28% der Stimmen in den Stadtrat gewählt.

Bereits in der Vergangenheit bot Goslar stets Potenzial für rechte Parteien. So wählten die Goslarer 1917 mit Friedrich Klinge einen national-konservativen DVP-Funktionär als ihren Bürgermeister und rechte Parteien erreichten in den Zeiten der Weimarer Republik (aus ihrer Sicht) gute Ergebnisse. 1931 bot Bad Harzburg, Kurstadt im Landkreis Goslar, die Bühne für das Treffen der “Harzburger Front”, ein Bündnis aus u.a. NSDAP, Deutschnationale Volkspartei und Stahlhelm. Unter dem begeisterten Jubel der Bevölkerung zogen tausende Nationalisten durch die Stadt und hielten ein symbolträchtiges Treffen ab. Anfang 1934 erklärte der “Reichsbauernführer” und SS-Obergruppenführer Richard Walther Darré Goslar zum Sitz des sog. “Reichsnährstandes”. Zwei Jahre später erhielt die Stadt zudem den nationalsozialistischen Ehrentitel “Reichsbauernstadt” und war Ausrichtungsort der jährlichen “Reichsbauerntage”, einem Propagandaevent für die Blut-und-Boden-Ideologie.

Der ursprünglich zivile Flughafen im Norden der Stadt wurde für militärische Zwecke zum Fliegerhorst ausgebaut. In der unmittelbaren Nachbarschaft entstand zudem ein SS-Lager, sowie ein Außenlager des KZ-Buchenwald. Die KZ-Häftlinge Karl Peix und Walter Krämer wurden auf Befehl des Lagerkommandos 1941 auf dem Fliegerhorst, bzw. einem nahe liegenden Steinbruch, erschossen. Darüber hinaus waren in Goslar zahlreiche Rüstungsbetriebe angesiedelt, welche zur Verrichtung ihrer Arbeit insgesamt mehrere hundert Zwangsarbeiter*innen einsetzten. Als Lazarettstadt entging Goslar größerem Bombardements durch alliierte Luftkräfte und kapitulierte im April 1945, abgesehen von einzelnen Scharmützeln, kampflos. Der von einigen Bomben getroffene Fliegerhorst wurde in der Folge zu großen Teilen durch den heutigen Stadtteil Jürgenohl bebaut. Die verbliebenen militärischen Gebäude wurden später zum Bundeswehrstandort. Die eigens für die Veranstaltungen des Reichsbauerntages errichtete Stadthalle am heutigen Stadtpark beherbergte bereits vor dem Kriegsende Flüchtlinge und brannte 1948 vollständig nieder.

In den letzten Jahren rückte Goslar wieder in den Fokus der Öffentlichkeit, als  Oberbürgermeister Oliver Junk forderte, der Stadt mehr Geflüchtete zuzuteilen, als dies laut Königsteiner Schlüssel vorgesehen wäre. Neben humanitären Gründen hatte diese (wiederholte) Forderung vor allem den Hintergrund, dem Bevölkerungsschwund in der Stadt entgegenzuwirken und durch die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt den Wirtschaftsstandort Goslar zu stärken. Die besorgten Bürger der ehemaligen Kaiserstadt schäumten vor Wut und Sozialneid und die rechte Szene nahm Junks Vorschlag als Beweis für eine vermeintliche “Volkstod”-Agenda. In der Folge gründete sich mit “Goslar wehrt sich” eine, nach eigener Darstellung bürgerliche, Protestgruppe, welche sowohl im Internet, als auch auf der Straße Hand in Hand mit Neonazis agierte. Beflügelt durch den rechten Auftrieb taten sich unorganisierte Neonazis und Überbleibsel der ehemaligen Kameradschaftsstruktur zur “Bürgerwehr Goslar” zusammen, welche v.a. durch Patrouillen und organisierte Jagd auf Antifaschist*innen in Erscheinung trat.

 

…Kollektiv Nordharz?

Das Kollektiv Nordharz war ein Zusammenschluss von Harzer Neonazis aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, welches vom Frühjahr 2017 bis Januar 2018 aktiv war. Ursprünglich hervorgegangen war die Gruppierung aus den “Nationalen Sozialisten Nordharz” und orientierte sich optisch und inhaltlich am Spektrum der Autonomen Nationalisten und dem “Antikapitalistischen Kollektiv”, trat allerdings auch vermehrt auf Demonstrationen und Kundgebungen eher bürgerlich in weißen Hemden auf. Das Kollektiv Nordharz machte neben Propagandaaktionen (Verkleben von Aufkleber und Plakaten, sowie Schmierereien rechter Parolen), Demonstrations- und Kundgebungsteilnahmen und Angriffen und Einschüchterung auf/von (vermeintlichen) politischen Gegnern vor allem durch die Organisation der diesjährigen “Tag der deutschen Zukunft”-Kampagne von sich reden. So übernahmen sie 2017 am Ende der TDDZ-Demo in Karlsruhe-Durlach das offizielle Banner mit der Ankündigung, die nächste Kampagnendemo in Goslar durchzuführen. Es folgten zwei Mobi-Kundgebungen im Landkreis, sowie ein Aktionswochenende, welches jedoch vor der Durchführung behörderlich untersagt wurde und schlussendlich ins Wasser fiel. Zudem nahmen Mitglieder des Kollektiv mit Infoständen zum TDDZ an verschiedenen rechten Events teil und verklebten im Goslarer Stadtbild Kampagnenaufkleber.

Nachdem es in den letzten Wochen des Jahres 2017 bereits ruhiger um die Gruppierung wurde und sie sich Ende November mit einem versuchten “Sturm” der Planungskonferenz des BgR Goslar, welcher in einem Platzverweis durch die Polizei endete, öffentlich blamierten, gaben sie Anfang Januar 2018 auf ihrer Homepage ihre Auflösung bekannt.

Bereits einige Tage später wurde jedoch die Gründung eines “Großkreisverbandes Süd-Ost Niedersachen” der rechten Minipartei “Die Rechte” bekannt gegeben. Auf dem Gründungsfoto posierten (ehemalige) Mitglieder des Kollektiv Nordharz. Zeitgleich wurde eine Mobilisierungsaktion im Rahmen der TDDZ-Kampagne durch den neuen Großkreisverband bekanntgegeben, so dass die Organisation der Kampagne nahtlos in die neuen Strukturen übergegangen ist. Somit stellt der “Großkreisverband” ein Sammelbecken von gewaltbereiten und -tätigen Neonazis aus den Harzlandkreisen dar.

 

…Tag der deutschen Zukunft?

Der sogenannte “Tag der deutschen Zukunft” (TDDZ) ist eine jährlich stattfindende,  bundesweite Kampagne mit abschließender Großdemonstration, welche durch Gruppierungen der rechten Szene organisiert wird. Erstmalig fand diese Kampagne 2009 in Pinneberg statt und soll nun zum zehnten Mal in Goslar abgehalten werden. Über die Jahre konnte sich die Demonstration am Kampagnenende als eine der wichtigsten Veranstaltungen der rechten Szene in Deutschland etablieren. Bisherige Orte der Abschlussdemo waren neben Pinneberg Hildesheim, Braunschweig, Hamburg, Wolfsburg, Dresden, Neuruppin, Dortmund und Karlsruhe. Jene Demos zeichnen sich neben der strömungsübergreifenden Teilnahme von deutschen Neonazis aus dem Kameradschafts- und AN-Spektrum, sowie rechten Parteien, vor allem durch schwankende Teilnehmerzahlen aus. So konnten die Organisatoren der Kampagne in Dortmund knapp 1000 Nazis auf die Straße bringen, während im Folgejahr nur noch rund 300 Rechte den Weg nach Karlsruhe fanden.

Bereits im Vorfeld der Demonstration am 02.06.18 fanden verschiedene Aktionen zur Mobilisierung statt. So hielten die Nazis rund um das Kollektiv Nordharz mehrere Kundgebungen ab, nahmen mit Infoständen an Events der rechten Szene teil und produzieren diverse Aufkleber, Plakate und T-Shirts mit dem Kampagnenmotiv. Nach Auflösung des Kollektivs übernahm der Großkreisverband Süd-Ost Niedersachsen der Partei “Die Rechte” die Organisation der Kampagne für die verbleibenden Monate.