G20 reloaded? Unser Statement zum “Tag der deutschen Zukunft”, dem Verhalten der Behörden und den antifaschistischen Gegenprotesten

Am 02.06.2018 fand nach rund einem Jahr Mobilisierungsphase der neonazistische „Tag der deutschen Zukunft“ in Goslar statt. Den Aufmarsch der Menschenfeinde in unserer Stadt konnten wir nicht wie geplant verhindern – was den Erfolg an diesem Tag jedoch nicht schmälert!

So gingen an diesem Tag gemeinsam 3000 Antifaschist*innen unterschiedlichster Couleur auf die Straße. Diese Zahl ist dabei u.a. der Erfolg einer erfolgreichen Mobilisierungs- und Aufklärungskampagne. In diesem Zusammenhang möchten wir uns ausdrücklich bei allen Gruppen des gemeinsamen Bündnisses „Keinen Tag der deutschen Zukunft“, sowie beim „Goslarer Bündnis gegen Rechtsextremismus“ bedanken! Unser Dank gilt aber auch allen anderen Menschen, die uns in den letzten Monaten in vielfältiger Form supportet haben und ohne die vieles nicht möglich gewesen wäre – Merci!

Eine solche Menge an Menschen gegen einen Naziaufmarsch in einer kleinen Stadt am Rande des Harzes zu mobilisieren, ist aus unserer Sicht das Ergebnis effektiver antifaschistischer Vernetzungs-, Aufklärungs-, Bildungs-, Überzeugungs- und Mobilisierungsarbeit. Bereits im Zeitraum vor dem 02.06. gelang es mehrfach, den Nazis den Spaß und die Mobilisierungsphase zu versauen – sei es durch das schnelle Entfernen von Nazipropaganda in den Goslarer Straßen, das Öffentlichmachen der lokalen rechten Strukturen oder das Stören der „TddZ“-Mobikundgebungen.

Diese Faktoren haben sicherlich am Ende ihren Teil dazu beigetragen, dass am ersten Juni-Samstag schlussendlich nur 260 Nazis ihren Weg nach Goslar fanden. Denn mit einer geographisch zentralen Lage, einer nationalsozialistischen Historie als „Reichsbauernstadt“ und einer aktiven rechten Szene hatten die Goslarer Nazis des „TddZ“-Organisationsteams eine vermeintlich günstige Ausgangssituation. Wer aber, wie z.B. Joost Nolte im Interview mit Patrick Schröder und in diversen Kundgebungsbeiträgen, lieber über Fähnchen in Hundehaufen, Weichspüler oder weitere inhaltslose Dinge redet, anstatt über „Gründe“, warum der gewöhnliche Neonazi nach Goslar kommen sollte, der muss sich dann am Ende nicht wundern, wenn er mit nur 259 weiteren Kameraden unter antirassistischen Regenbogen-Bannern am Odeon Theater seine „Großdemonstration“ startet. Überschwänglich bekundete Nolte noch im Frühjahr im besagten Interview, dass er und der Rest des Organisationsteams mit bis zu 500 Teilnehmer*innen zum 10. „Tag der deutschen Zukunft“ rechnen und dass die Zahlen bei der Vorjahresdemo in Karlsruhe ja doch eher enttäuschend waren – wir sind gespannt, ob die Chemnitzer Organisator*innen des 11. „TddZ“ ähnliche Worte über die Goslarer Kamerad*innen verlieren werden.

Im Kontext des „TddZ“ ist es unausweichlich, auch die Stadt Goslar und die Polizei Goslar zu kritisieren. Ein, aus unserer Sicht, vollkommen unpassendes, fragwürdiges und im höchsten Maße repressives Sicherheitskonzept und monatelange Panikmache vor vermeintlichen, von außerhalb anreisenden „Linksextremisten“ des „Schwarzen Blocks“ sollten dafür sorgen, das überzogene Polizeiaufgebot und das räumliche Trennungskonzept am 02.06. zu rechtfertigen. Dabei ließ es sich die Führung der Polizei Goslar auch nicht nehmen, in den Medien und bei Informationsveranstaltungen zum 02.06. antifaschistischen Protest – insbesondere in Form von Sitzblockaden – zu kriminalisieren und von einem möglichen zweiten G20 in Goslar zu fabulieren. Demonstrationen und Kundgebungen in Hör- und Sichtweite der Neonazis wurden verboten, während die Nazis an für sie ideologisch und historisch bedeutsamen Punkten aufmarschieren und vorab mit genehmigten Plakaten für ihre Demonstration werben durften. Somit wurde Goslar faktisch mit Hilfe der Bahnschienen entzweit und weiträumige Sperrungen ermöglichten, dass die Nazis ungestört laufen konnten. Eine Minimierung der Nazidemonstration auf eine stationäre Kundgebung, wie es in der Vergangenheit an anderen Orten schon oft der Fall war, wurde unter dem Hinweis, dass sich die Anmelder des „TddZ“ an „die Regeln halten“ würden, gar nicht erst angestrebt. Dass sich die Stadt Goslar und die Polizei Goslar im Nachhinein dann als „Herr der Lage“ positionieren und sich gegenseitig auf die Schultern klopfen, kann aus unserer Sicht durchaus als zynisch bezeichnet werden. Unserer Meinung nach lässt es sich auch nicht als Erfolg der Stadt verkaufen, dass der Hildesheimer Nazi Dieter Riefling seine geplante Rede nicht halten durfte. Denn anstatt dessen bedienten alle restlichen Redner des „TddZ“ das Standardrepertoire an rassistischen Plattitüden, NS-Relativierung und Bedrohung anwesender Journalist*innen. Die vorher von der Polizei ausgegebene Null-Toleranz-Politik fand dann auch am 02.06. im vollsten Ausmaß statt – allerdings fast ausschließlich gegen Antifaschist*innen: Zahlreiche Busse von Antifaschist*innen wurden über Stunden kontrolliert, so dass eine Teilnahme dieser Menschen an der zentralen Demonstration des Goslarer Bündnis gegen Rechtsextremismus nicht mehr möglich war (http://www.wir-falken.de/aktuelles/meldungen/10632087.html). Begründet wurde dies mit der Sicherstellung von „Gegenständen, die bei diesen Versammlungen hätten als Waffen Verwendung finden können“ (https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hallo_niedersachsen/Demo-in-Goslar-Tausende-geben-Neonazis-Kontra,hallonds44628.html) an Bord der Busse. Folgende Gegenstände wurden gefunden: „Bei den Sicherstellungen handelt es sich überwiegend um Gegenstände wie Sturmhauben, Basecaps, Schlauchschals und Dreieckstücher in verschiedenen Farben und Sonnenbrillen, die nach polizeilicher Erfahrung in Kombination miteinander zur Vermummung genutzt werden. Sichergestellt wurden u.a auch Gegenstände wie Zahnschutz, Regenschirme, mehrere Funkgeräte, Fähnchen, wie sie zur Steuerung von Personengruppen genutzt werden, Spritzschutz für Augen, 1 Messer und 2,40 m lange Holzstöcke. Weitere gefährliche Gegenstände wurden nicht festgestellt.“ (https://wiki.freiheitsfoo.de/pmwiki.php?n=Main.20180602-NO-TDDZ-Demponstrationen-Goslar#toc10). Noch absurder wird dieser Umstand, wenn man bedenkt, dass die Nazis auf ihrer Demo problemlos mit einer Vielzahl ähnlicher Gegenstände auflaufen durften – und das trotz Kontrollzelt der Polizei. Folge der polizeilichen Maßnahmen war u.a. auch, dass die Versammlungsleiter*innen einer genehmigten Kundgebung im Goslarer Stadtteil Jürgenohl nicht rechtzeitig anreisen konnten, so dass die Kundgebung in ihrer geplanten Form nicht stattfinden konnte. Darüber hinaus wurden auch mehrere Menschen von der Polizei über Stunden im Stadtteil Ohlhof gekesselt und konnten somit nicht an den angemeldeten Kundgebungen und Demonstrationen teilnehmen. Eine spontan angemeldete antifaschistische Demonstration durch die Goslarer Altstadt wurde zwar genehmigt, sah sich im Verlauf aber immer wieder repressiven Maßnahmen der Polizei ausgesetzt. Auch anwesenden Journalist*innen mussten sich immer wieder durch Polizeikräfte in ihrer wichtigen Arbeit einschränken lassen.

Es lässt sich somit bilanzieren, dass Polizei und Stadt alles darangesetzt haben, den Nazis das Leben so einfach wie möglich zu machen, während ein Gegenprotest in Hör- und Sichtweite verunmöglicht wurde. Das trotz diesen Widrigkeiten tausende Antifaschist*innen ihren Protest gemeinsam mit uns in Goslar auf die Straße getragen haben, bekräftigt uns in unserer Überzeugung, dass antifaschistisches Engagement auch in ländlichen Gebieten und Kleinstädten absolut notwendig ist und bleibt! Unser Ziel bleibt auch weiterhin, den Nazis das Leben so schwer wie möglich zu machen und für eine emanzipierte und progressive Gesellschaft zu kämpfen!

 

AK: Not one inch

Juli 2018